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Mathematik-Online-Kurs: Komplexe Analysis - Potenzreihen - Differentialgleichungen

Singulärer Punkt einer komplexen Differentialgleichung


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Die Differentialgleichung

$\displaystyle r(z) u''(z) + q(z) u'(z) + p(z) u(z) = 0
$

hat bei $ z=a$ einen regulären singulären Punkt, wenn $ q/r$ einen Pol höchstens erster und $ p/r$ einen Pol höchstens zweiter Ordnung bei $ z=a$ haben.

In einem regulären singulären Punkt $ a$ wird das Verhalten der Lösungen $ u$ durch die charakteristische Gleichung

$\displaystyle \varphi(\lambda) =
\lambda(\lambda-1) + q_0 \lambda + p_0 = 0
$

bestimmt, wobei $ q_0$ und $ p_0$ die führenden Koeffizienten von $ q/r$ bzw. $ p/r$ sind, d.h,

$\displaystyle \frac{q(z)}{r(z)} =
\frac{q_0 + q_1 (z-a) + \cdots}{z-a},\quad
\frac{p(z)}{r(z)} =
\frac{p_0 + p_1 (z-a) + \cdots}{(z-a)^2}\,.
$

Ist die Differenz der Nullstellen $ \alpha$, $ \beta$ von $ \varphi$ nicht ganzzahlig, so existieren zwei linear unabhängige Lösungen

$\displaystyle (z-a)^\alpha v(z),\quad (z-a)^\beta w(z)
\,,
$

wobei $ v$ und $ w$ in einer Umgebung von $ a$ analytische Funktionen mit $ v(a),w(a)\ne 0$ sind.

Sonst existiert im Allgemeinen nur eine Lösung dieses Typs zu dem Exponenten $ \alpha$ mit dem größten Realteil. Eine zweite Lösung kann dann durch Variation der Konstanten, d.h. mit dem Ansatz

$\displaystyle u(z) = c(z) (z-a)^\alpha v(z)
$

bestimmt werden.


Zur formalen Rechtfertigung des Lösungstyps wird o. B. d. A. $ a=0$ sowie $ r(z)=1$ angenommen, und die Entwicklung

$\displaystyle u(z) = z^\lambda (u_0 + u_1 z + \cdots)
$

in die Differentialgleichung substituiert. Der Vergleich des Koeffizienten von $ z^{\lambda-2}$ bei den Termen

$\displaystyle u''(z)$ $\displaystyle = \lambda(\lambda-1) u_0 z^{\lambda-2}+(\lambda+1)\lambda u_1 z^{\lambda-1} + \cdots,$    
$\displaystyle \frac{1}{z} u'(z) q(z)$ $\displaystyle = \left(\lambda u_0 z^{\lambda-2}+(\lambda+1) u_1 z^{\lambda-1} + \cdots \right) \left( q_0 +q_1 z + \cdots \right)\,,$    
$\displaystyle \frac{1}{z^2} u(z)p(z)$ $\displaystyle = \left( u_0 z^{\lambda-2}+ u_1 z^{\lambda-1} + \cdots \right) \left( p_0 +p_1 z + \cdots \right)\,,$    

führt auf

$\displaystyle \varphi(\lambda) u_0 = 0
\,,
$

d.h. nicht triviale Lösungen $ \left(u_0\neq 0\right)$ können nur für Nullstellen von $ \varphi$ existieren. Der Vergleich der Koeffizienten von $ z^{\lambda-2+j}$ führt auf die Rekursion

$\displaystyle \varphi(\lambda+j) u_j = \psi(u_0,\ldots,u_{j-1})\,,
\quad j>0
\,,
$

mit

$\displaystyle \psi(u_0,\ldots,u_{j-1})$ $\displaystyle = -(\lambda q_ju_0+(\lambda+1)q_{j-1}u_1+\cdots+(\lambda+j-1)q_1u_{j-1})$    
  $\displaystyle \quad -(p_ju_0+p_{j-1}u_1+\cdots+p_1u_{j-1})\,.$    

Die Koeffizienten sind also sukzessive bestimmbar, falls $ \varphi(\lambda+j)\neq0$ für alle $ j$. Da $ \lambda$ eine Nullstelle von $ \varphi$ ist, ist dies nur dann nicht der Fall, wenn

$\displaystyle \lambda = \beta = \alpha-n
$

mit $ n>0$ ist.
Die Euler-Differentialgleichung

$\displaystyle z^2 u''(z) + q z u'(z) +p u(z)= 0
$

besitzt bei $ z=0$ einen regulären singulären Punkt und lässt sich durch den Ansatz

$\displaystyle u(z) = z^\lambda
$

lösen. Man erhält nach Einsetzen in die Differentialgleichung die charakteristische Gleichung

$\displaystyle \lambda(\lambda-1) + q \lambda +p =
\lambda^2 +(q-1) \lambda + p = 0
$

für den Exponenten $ \lambda$. Die folgenden Beispiele illustrieren drei qualitativ verschiedene Fälle:

(i)
verschiedene Exponenten $ \lambda_1 \neq \lambda_2$: Beispielsweise erhält man für $ q=0$ und $ p=-6$

$\displaystyle \lambda_1=-2$    und $\displaystyle \lambda_2=3
$

und damit die Lösung

$\displaystyle u(z)=c_1 \frac{1}{z^2}+c_2z^3\,.
$

(ii)
ein Exponent $ \lambda_1 = \lambda_2$: Beispielsweise erhält man für $ q=-1$ und $ p=1$ den Exponenten $ \lambda =1$, d.h.

$\displaystyle u(z) = c z \,.
$

Eine zweite Lösung kann durch Variation der Konstanten bestimmt werden. Aus

$\displaystyle z^2\left( c(z)z \right)''- z \left( c(z) z \right)' + c(z)z =0
$

folgt

$\displaystyle c'' z +2 c'-c'-\frac{1}{z}c+\frac{1}{z}c = 0
$

bzw. $ 0=c''z +c'=(c'z)' $ mit der Lösung

$\displaystyle c(z) = c_1 +c_2 \operatorname{Ln}z \quad \Longrightarrow \quad u(z) = \left(
c_1 +c_2 \operatorname{Ln}z \right) z\,.
$

(iii)
komplex konjugierte Exponenten: Beispielsweise erhält man für $ q=0$ und $ p=\frac{5}{4}$

$\displaystyle \lambda_{1,2}=\frac{1}{2}\pm\mathrm{i}
$

mit der Lösung

$\displaystyle u(z)=c_1z^{1/2+\mathrm{i}}+c_2z^{1/2-\mathrm{i}}\,.
$

Eine reelle Lösung für reelles $ z>0$ lässt sich mit Hilfe der Formel von Euler-Moivre konstruieren:

$\displaystyle z^{\pm \mathrm{i}} = e^{\pm \mathrm{i} \operatorname{Ln} z} = \co...
...orname{Ln} z \right) \pm \mathrm{i} \sin
\left(\operatorname{Ln} z \right) \,.
$

Mit $ c_1=c_2=\frac{1}{2}$ bzw.  $ c_1=-c_2=\frac{1}{2\mathrm{i}}$ erhält man die linear unabhängigen Lösungen

$\displaystyle \sqrt{z} \cos \left( \operatorname{Ln} z \right)$   und$\displaystyle \qquad\sqrt{z} \sin \left( \operatorname{Ln} z \right) \,.
$


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  automatisch erstellt am 21.11.2013