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Mathematik-Online-Kurs: Repetitorium HM II - Mehrdimensionale Analysis

Das mehrdimensionale Riemann-Integral


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Integration über Quader.

Es seien $ n\ge 1$ und $ a_1,\ldots,a_n, b_1,\ldots,b_n \in \mathbb{R}$ mit $ a_i < b_i$ für alle $ i\in\{1,\ldots,n\}$ . Es ist $ I := [a_1, b_1] \times \ldots \times [a_n, b_n]\subseteq\mathbb{R}^n$ ein n-dimensionaler Quader. Dessen Volumen ist definiert als

$\displaystyle \mathrm{vol}(I) \; :=\; (b_1 - a_1)(b_2 - a_2) \cdots (b_n - a_n)\; .
$

Sei für alle $ i\in\{1,\ldots,n\}$ eine Unterteilung $ \underline{x}^{(i)} = (a_i = x_0^{(i)} < x_1^{(i)} < x_2^{(i)} <
\cdots < x_{k_i}^{(i)} = b_i)$ von $ [a_i,b_i]$ gewählt. Dann heißt das kartesische Produkt

$\displaystyle \underline{x} \; = \; \underline{x}^{(1)} \times \dots \times \underline{x}^{(n)}
$

eine Unterteilung des Quaders $ I$ .

Zum Beispiel ist $ (0 < 1 < 2)\times (3 < 6) = \{ (0,3),\, (0,6),\, (1,3),\, (1,6),\, (2,3),\, (2,6)\}$ eine Unterteilung des Quaders $ [0,2]\times [3,6]$ .

Für jedes Tupel $ \underline{\nu}=(\nu_1, \ldots, \nu_n)$ mit $ 1 \leq \nu_i \leq k_i$ für $ i\in\{1,\ldots,n\}$ heißt

$\displaystyle I_{\underline{x},\underline{\nu}} \; :=\; \left[x_{\nu_1-1}^{(1)}...
...)}\right] \times \dots \times
\left[x_{\nu_n-1}^{(n)}, x_{\nu_n}^{(n)}\right]
$

ein Teilquader von $ I$ zur Unterteilung $ \underline{x}$ .

Sei $ f:I\to\mathbb{R}$ eine beschränkte Funktion.

Das Volumen zwischen der $ x_1, \ldots, x_n$ -Ebene und dem Funktionsgraphen wird von oben angenähert durch die Obersumme

$\displaystyle \Sigma^\bullet(f,\underline{x}) \; :=\; \sum_{\underline{\nu}} \m...
...}(I_{\underline{x},\underline{\nu}}) \sup f(I_{\underline{x},\underline{\nu}})
$

und von unten durch die Untersumme

$\displaystyle \Sigma_\bullet(f,\underline{x}) \; :=\; \sum_{\underline{\nu}} \m...
...\underline{x},\underline{\nu}}) \inf f(I_{\underline{x},\underline{\nu}}) \; .
$

Dabei erstrecken sich die Summen über alle möglichen Tupel $ \underline{\nu}$ wie oben beschrieben. Stimmen das Supremum der Untersummen und das Infimum der Obersummen, genommen über alle Unterteilungen von $ I$ , überein, so heißt $ f$ (Riemann-) integrierbar auf $ I$ , und wir schreiben

$\displaystyle \int_I f \; =\; \int_I f(x) \,\mathrm{d}x\; = \; \int_I f(x_1,\ld...
...let(f,\underline{x})\; =\; \inf_{\underline{x}}\Sigma^\bullet(f,\underline{x})
$

für das Integral von $ f$ über $ I$ .

Anschaulich beziffert das Integral also das Volumen zwischen der $ x_1, \ldots, x_n$ -Ebene und dem Funktionsgraphen, wobei die Teile unterhalb der $ x_1, \ldots, x_n$ -Ebene negativ zu nehmen sind.

Iterierte Integrale und der Satz von Fubini für Quader.

Für fest gewähltes $ m \in \{1, \ldots, n-1\}$ betrachte die Quader $ I', I''$ mit

$\displaystyle I \; =\; \underbrace{[a_1,b_1] \times \ldots \times [a_m,b_m]}_{=...
...
\underbrace{[a_{m+1},b_{m+1}] \times \ldots \times [a_n,b_n]}_{=:\; I''}\; .
$

Der Satz von Fubini für Quader besagt nun, daß einerseits

$\displaystyle \int_I f(x_1, \ldots, x_n) \; \mathrm{d}(x_1, \ldots, x_n) \; = \...
...n) \; \mathrm{d}(x_{m+1}, \ldots, x_n)\right) \;
\mathrm{d}(x_1, \ldots, x_m)
$

gilt, falls alle auftretenden Integrale existieren, und daß andererseits

$\displaystyle \int_I f(x_1, \ldots, x_n) \; \mathrm{d}(x_1, \ldots, x_n) \; = \...
...\; \mathrm{d}(x_{1}, \ldots, x_m)\right) \;
\mathrm{d}(x_{m+1}, \ldots, x_n),
$

falls wiederum alle auftretenden Integrale existieren. In diesen Fällen läßt sich das Integral von $ f$ über $ I$ also mittels iterierter Integration berechnen. Im Falle der Existenz ist demzufolge

$\displaystyle \int_I f \; = \; \int_{a_n}^{b_n} \left( \ldots \left( \int_{a_1}...
..., \ldots, x_n) \; \mathrm{d} x_1 \right)
\ldots \right) \; \mathrm{d} x_n \; .
$

Lebesguesche Nullmengen.

Eine Teilmenge $ M$ des $ \mathbb{R}^n$ heißt Lebesguesche Nullmenge, falls es für alle $ \varepsilon>0$ eine Folge von $ n$ -dimensionalen Quadern $ (I_k)_{k \in \mathbb{N}}$ so gibt, daß

Beispiele für Lebesguesche Nullmengen sind etwa

$ \bullet$
eine Menge von höchstens abzählbar vielen Punkten,
$ \bullet$
die Oberfläche einer Kugel, und
$ \bullet$
jede Hyperebene $ \{ x \in \mathbb{R}^n \vert a^\mathrm{t} x = c \} \subseteq \mathbb{R}^n$ mit $ a \in \mathbb{R}^n\setminus\{ 0 \}$ und $ c \in \mathbb{R}$ .

Integration über beschränkte Mengen.

Es seien $ M \subseteq \mathbb{R}^n$ beschränkt und $ f:M \to \mathbb{R}$ eine Funktion. Wir definieren die Funktion

$\displaystyle f_M(x) \; :=\; \begin{cases}
f(x) & \mbox{f''ur $x \in M$}\\
0 & \mathrm{sonst}\; . \\
\end{cases}$

Es sei $ I$ ein $ n$ -dimensionaler Quader mit $ M \subseteq I$ . Die Funktion $ f$ heißt (Riemann-) integrierbar auf $ M$ , falls $ f_M$ integrierbar auf $ I$ ist. Dann heißt

$\displaystyle \int_M f = \int_M f(x) \, \mathrm{d} x :=\int_I f_M
$

das (Riemann-) Integral von $ f$ über $ M$ .

Meßbare Mengen.

Die Menge $ M$ heißt (Jordan-) meßbar, falls die konstante Funktion $ 1$ integrierbar über $ M$ ist, und dann heißt

$\displaystyle \mathrm{vol}(M) := \int_M 1
$

der (Jordan-) Inhalt von $ M$ .

Zum Beispiel ist ein $ n$ -dimensionaler Quader meßbar, und sein Jordaninhalt stimmt mit seinem oben eingeführten Volumen überein.

Eine meßbare Lebesguesche Nullmenge $ M$ hat $ \mathrm{vol}(M)=0$ .

Meßbarkeitskriterium. Eine beschränkte Menge $ M \subseteq \mathbb{R}^n$ ist genau dann meßbar, wenn die Menge der Randpunkte von $ M$ eine Lebesguesche Nullmenge ist.

Dabei heißt $ x \in \mathbb{R}^n$ ein Randpunkt von $ M$ , wenn $ x$ ein Berührpunkt von $ M$ , jedoch kein innerer Punkt von $ M$ ist. Mit anderen Worten, jede Umgebung von $ x$ enthält sowohl Punkte von $ M$ als auch vom Komplement von $ M$ .

Das Lebesguesche Integrabilitätskriterium.

Sei $ M \subseteq \mathbb{R}^n$ meßbar. Das Lebesguesche Integrabilitätskriterium besagt, daß eine beschränkte Funktion $ f:M \to \mathbb{R}$ genau dann integrierbar auf $ M$ ist, wenn die Menge ihrer Unstetigkeitspunkte auf $ M$ eine Lebesguesche Nullmenge ist.

Insbesondere sind stetige Funktionen auf meßbaren Mengen integrierbar.

Iterierte Integration, der Satz von Fubini und das Cavalierische Prinzip.

Es sei $ M \subseteq \mathbb{R}^n$ beschränkt und $ 1 \leq m \leq n-1$ . Für jedes $ x \in \mathbb{R}^m$ sei

$\displaystyle M_x \; :=\; \left\{ y \in \mathbb{R}^{n-m} \, \left\vert \, {x \choose y} \in M \right. \right\}
$

der $ x$ -Schnitt von $ M$ , und

$\displaystyle M^y \; :=\; \left\{ x \in \mathbb{R}^{m} \, \left\vert \, {x \choose y} \in M \right. \right\}
$

der $ y$ -Schnitt von $ M$ .

Ferner sei $ M' := \bigcup\limits_{y \;\in\;\mathbb{R}^{n-m}} M^y$ und $ M'' := \bigcup\limits_{x\;\in\;\mathbb{R}^{m}} M_x$ . Anschaulich gesprochen ist $ M'$ die Projektion von $ M$ auf die $ (x_1,\ldots,x_m)$ -Ebene, und $ M''$ die Projektion von $ M$ auf die $ (x_{m+1},\ldots,x_n)$ -Ebene.

Der Satz von Fubini besagt nun, daß einerseits

$\displaystyle \int_M f(x,y) \; \mathrm{d}(x,y) \; = \;
\int_{M'} \left(\int_{M_x} f(x,y) \; \mathrm{d} y\right) \; \mathrm{d} x
$

gilt, falls alle auftretenden Integrale existieren, und daß andererseits

$\displaystyle \int_M f(x,y) \; \mathrm{d}(x,y) \; = \;
\int_{M''} \left(\int_{M^y} f(x,y) \; \mathrm{d} x\right) \; \mathrm{d} y
$

falls wiederum alle auftretenden Integrale existieren. In diesen Fällen läßt sich das Integral von $ f$ über $ M$ also mittels iterierter Integration berechnen.

Insbesondere erhalten wir mit $ f(x,y) = 1$ konstant das Cavalierische Prinzip, welches besagt, daß

$\displaystyle \mathrm{vol}(M) \; =\; \int_{M'} \mathrm{vol}(M_x) \; \mathrm{d} x \;=\; \int_{M''} \mathrm{vol}(M^y) \; \mathrm{d} y \; ,
$

falls alle auftretenden Integrale existieren.

Regeln.

Es seien $ M \subseteq \mathbb{R}^n$ ein beschränkte Menge, $ f, g$ integrierbar auf $ M$ und $ \alpha, \beta \in
\mathbb{R}$ . Dann gelten folgende Regeln.

1.
$ \displaystyle \int_M (\alpha f + \beta g) \; =\; \alpha \int_M f + \beta \int_M g$ (Linearität).
2.
$ \displaystyle \left\vert \int_M f \right\vert \;\leq\; \int_M \vert f\vert$ (Dreiecksungleichung).
Ist zusätzlich $ M$ meßbar, so ist $ \displaystyle \left\vert \int_M f \right\vert \;\leq\; \mathrm{vol}(M)\cdot\sup \vert f(M)\vert\;$ (Prismenungleichung).
3.
Es ist $ \displaystyle \int_M f = \int_{M_1} f + \int_{M_2} f - \int_{M_1 \cap M_2} f$ , sofern $ M=M_1 \cup M_2$ und sofern $ f$ integrierbar ist über $ M_1$ , $ M_2$ und $ M_1 \cap M_2$ .
4.
$ \displaystyle \int_M f \leq \int_M g$ , falls $ f \leq g$ auf $ M$ gilt.
5.
Falls $ M$ eine Lebesguesche Nullmenge ist, so ist $ \int_M f = 0$ .
6.
Es seien $ M$ meßbar, $ y\in\mathbb{R}^n$ , $ \alpha>0$ und $ \tilde{M}=\{y+\alpha x\; \vert\; x\in M\}$ die um den Vektor $ y$ verschobene und um den Faktor $ \alpha$ gestreckte Menge. Dann gilt $ \mathrm{vol}(\tilde{M})=\alpha^n\;\mathrm{vol}(M)$ . (Dies ist ein einfacher Spezialfall der mehrdimensionalen Substitutionsregel.)

Der Schwerpunkt und die erste Guldinsche Regel.

Es sei $ M \subseteq \mathbb{R}^n$ eine meßbare Menge mit $ \mathrm{vol}(M)>0$ . Dann heißt der Punkt $ (s_1,\ldots,s_n)^\mathrm{t}\in\mathbb{R}^n$ mit den Koordinaten

$\displaystyle s_i \;=\; \dfrac{1}{\mathrm{vol}(M)}\int_M x_i\;\mathrm{d}(x_1,\ldots,x_n)
$

der Schwerpunkt von $ M$ .

Es sei nun $ M\subseteq\mathbb{R}_{\geq 0}\times\mathbb{R}$ eine meßbare Menge mit Schwerpunkt $ (s_1,s_2)^\mathrm{t}$ . Es sei $ R$ der aus $ M$ entstehende Rotationskörper bei Drehung um die $ y$ -Achse, definiert durch

$\displaystyle R \; :=\; \{(x,y,z)^\mathrm{t}\in\mathbb{R}^3\; \vert\; (\sqrt{x^2 + z^2},\, y)^\mathrm{t}\in M\}\;.
$

Nach der ersten Guldinschen Regel ist der Inhalt von $ R$ gegeben durch

$\displaystyle \mathrm{vol}(R) \;=\; \mathrm{vol}(M)\cdot 2\pi s_1\;.
$

Mit anderen Worten, der Inhalt des Rotationskörpers $ R$ ist gleich dem Inhalt der Fläche $ M$ , multipliziert mit der Länge des zurückgelegten Weges des Flächenschwerpunktes bei einmaliger Rotation um die $ y$ -Achse.
(Autoren: Künzer/Martin/Tentler/Wahrheit)

Beispiele

Aufgaben


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  automatisch erstellt am 16.2.2011